Rechtliches zur Abbruchkündigung

Ingress

Das Bundesgericht hat in einem kürzlich publizierten Entscheid[1] willkommene Klarstellungen gemacht, unter welchen Voraussetzungen und gestützt auf welche Kriterien die Kündigung eines Mietobjekts wegen des Abbruchs der Mietliegenschaft gültig und damit nicht missbräuchlich ist.  Dabei hat das Gericht auch eine wertvolle, rechtliche Abgrenzung vorgenommen zur sog. Sanierungs- oder Umbaukündigung.

Ausgangslage

Seit April 2016 mietete M eine 2.5 Zimmerwohnung im Kanton Zug.  Nach dem Ableben des ursprünglichen Vermieters übernahm V das Grundstück und trat per 1. Februar 2022 anstelle der Erben des Verstorbenen als neuen Vermieter in den bestehenden Mietvertrag mit M ein (Art. 261 OR).  Der Rechtsanwalt von V informierte M mit Schreiben vom 7. Oktober 2022 mit, dass unmittelbarer Nähe ein grösseres Bauprojekt in der «W____» realisiert werde, worüber V erst vor ein paar Wochen informiert worden sei.  Die geplante Bautätigkeit werde das zugehörige Gebiet in einem anderen Erscheinungsbild zeigen, weshalb auch die in die Jahre gekommene Liegenschaft des V anders erscheinen solle.  Aus diesem Grund erfolge die Kündigung des Mietvertrags mit M, die M gleichentags auf Ende Juni 2023 angezeigt wurde mit der Begründung im amtlichen Formular: «Abbruch / Neubau des Gebäudes».  V kündigte am gleichen Tag auch den beiden anderen Mietern an dieser Adresse.  Unmittelbar nach der Kündigung verkaufte V seine Mietliegenschaft an K, der bereits Eigentümer der zwei Nachbarparzellen war und dort das vorerwähnte Bauprojekt «Überbauung W_____» realisierte.

In der Folge focht M die Kündigung an und lehnte V den Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde an.  Nach der Erteilung der Klagebewilligung an V gelangte dieser an den Einzelrichter am Mietgericht Zug und verlangte die Feststellung der Gültigkeit der Kündigung sowie die Abweisung einer eventuellen Erstreckung des Mietverhältnisses zugunsten von M.  Der Einzelrichter wies die Klage von M ab und erachtete die Kündigung als missbräuchlich.  Denn V habe ein konkretes Bauvorhaben weder substantiiert behauptet noch bewiesen.  Daraufhin nahm das von V angerufene Obergericht Zug eine verpönte Vorratskündigung an.  Das Obergericht bemängelte insbesondere, dass der Vermieter zumindest hinreichend konkrete Angaben zum geplanten Abbruch bzw. Bauprojekt hätte machen müssen, damit der Mieter gestützt auf diese Angaben hätte beurteilen können, ob der Abbruch und der Neubau tatsächlich ernsthaft beabsichtigt seien und ein aktuelles bzw. schützenswertes Interesse des Vermieters an der Kündigung bestehe bzw. um ausschliessen zu können, ob ein Abbruch von vornherein noch in weiter Ferne liege.

Daraufhin gelangte K an das Bundesgericht – und bekam recht, weil das vorinstanzliche Urteil an unauflösbaren Widersprüchen litt, den Beweisführungsanspruch verletzte und sich auf Indizien stützte, die bei der Abbruchkündigung nicht anwendbar sind.

Allgemeine Erwägungen des Bundesgerichts[2]

Zunächst einmal verwies das Bundesgericht auf seine langjährige Praxis, wonach die ordentliche Kündigung eines Mietvertrags keine besonderen Kündigungsgründe voraussetzt, sondern die einzige Schranke der Grundsatz von Treu und Glauben bildet:  Eine Kündigung gilt dabei als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse erfolgt und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen.  

Zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit ist der wirkliche Kündigungsgrund entscheidend.  Eine mangelnde oder fehlerhafte Begründung der Kündigung führt nicht automatisch zu deren Treuwidrigkeit.  Allerdings kann eine solche Kündigungsbegründung ein Indiz dafür sein, dass kein schützenswertes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht oder der angegebene Kündigungsgrund bloss vorgeschoben ist.  Dabei trifft zwar den Mieter die sog. Beweislast, dass die angefochtene Kündigung missbräuchlich sei, jedoch muss der Vermieter «redlich zur Wahrheitsfindung» beitragen und dazu – neben der Kündigungsbegründung und im Bestreitungsfall – alle für die Beurteilung des Kündigungsgrunds vorhandenen, notwendigen Unterlagen vorlegen.

Erwägungen zur Sanierungs- oder Umbaukündigung

Das Bundesgericht erinnert in seinen Erwägungen weiter daran, dass eine Kündigung im Hinblick auf Umbau- oder Sanierungsarbeiten, die eine Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich einschränken, nicht gegen Grundsatz von Treu und Glauben verstösst und damit gültig ist.[3]  Missbräuchlichkeit liegt aber vor, wenn eine solche Kündigung nicht realitätsnah oder objektiv unmöglich erscheint, namentlich weil es offensichtlich mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist, sodass die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erhältlich sind.  Ebenso missbräuchlich ist eine solche Kündigung, wenn die Vermieterschaft im Kündigungszeitpunkt über kein genügend ausgereiftes und ausgearbeitetes Projekt verfügt, aufgrund dessen der Mieter abzuschätzen vermag, ob sein Verbleiben die Durchführung der beabsichtigten Arbeiten erschweren würde bzw. ob eine Räumung des Mietobjekts erforderlich ist.[4]

Soweit so gut und klar.  Das wirklich Interessante am vorliegend kommentierten Bundesgerichtsentscheids ist, dass die vorstehende erwähnte Rechtsprechung des Bundesgerichts sich (allein) auf die Sanierungs- oder Umbaukündigung bezieht und dabei bei der rechtlichen Überprüfung zu unterscheiden ist (was die beiden kantonalen Vorinstanzen zu Unrecht übersehen haben) von der vorliegend strittigen Gültigkeit einer Abbruchkündigung.

Erwägungen zur Abbruchkündigung

Das Bundesgericht stellt zunächst einmal klar, dass die Abbruchkündigung nicht missbräuchlich ist, zumal der Abbruch des Mietobjekt dessen Nutzung als Wohn- oder Geschäftsliegenschaft (durch die gekündigte Mieterschaft per se) unmöglich macht.  Weiter führt das Bundesgericht aus, dass eine Abbruchkündigung (wie auch bei einer Sanierungskündigung) nicht voraussetzt, dass der Abbruch wegen des schlechten Zustands der Liegenschaft erforderlich und dringend ist.  Vielmehr können auch andere Gründe für einen Abbruch sprechen, so «etwa ökonomische Überlegungen, wenn bei erhöhter Nutzungsziffer mit einem Neubau oder dem Einbringgen des Grundstücks in eine Gesamtüberbauung eines Gebiets ein höherer Ertrag erzielt werden kann».  Demgemäss steht der Entscheid über einen Abbruch (im Verhältnis zur Mieterschaft) «in der alleinigen Entscheidung der Vermieterschaft» bzw. macht «ein Abbruch und Neubau zwecks Ertragserhöhung die Kündigung nicht missbräuchlich». 

Kein Erfordernis einer «réalité tangible»

Weiter stellt das Bundesgericht klar, dass bei einer Abbruchkündigung – im Gegensatz zu einer Sanierungs- oder Sanierungskündigung – das Erfordernis eines im Kündigungszeitpunkt genügend ausgereiften Projekts betreffend die geplante Sanierung des Mietobjekts «selbstredend» entfällt:  Denn die gekündigte Mieterschaft muss bei einer Abbruchkündigung in jedem Fall das Mietobjekt verlassen, sodass – zwangsläufig – auch eine Prüfung der Mieterschaft (wie bei der Umbau- oder Sanierungskündigung) entfällt, ob ihr Verbleiben die Durchführung der beabsichtigten Arbeiten erschweren bzw. eine Räumung des Mietobjekts nötig ist. 

Das Bundesgericht stellt überdies klar: «Bei der Abbruchkündigung ist aber auch nicht erforderlich, dass die Vermieterschaft im Zeitpunkt der Kündigung ein bereits ausgereiftes Projekt betreffend die nach dem Abbruch geplante Weiterverwendung des Grundstücks, also namentlich etwa ein ausgearbeitetes und zeitnahes Neubauprojekt, vorlegen kann.» und:  «Aus dem gleichen Grund unerheblich sind ferner die konkreten Modalitäten und der Zeitplan des Abbruchs, weshalb die Vermieterschaft in der Kündigung darüber nicht im Einzelnen berichten muss.»

Gleichsam als Korrektiv ruft das Bundesgerichts aber in Erinnerung, dass auch eine Abbruchkündigung «missbräuchlich ist, wenn im Kündigungszeitpunkt offensichtlich ist, dass ein Abbruch der Liegenschaft objektiv unmöglich erscheint, weil er namentlich eindeutig mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist (etwa Denkmalschutz), weshalb die Vermieterin die notwendige Abbruchbewilligung mit Sicherheit nicht erlangen wird.»  Ferner ist auch eine Abbruchbewilligung missbräuchlich, wenn dieser Kündigungsgrund bloss vorgeschoben und zugleich der wahre Kündigungsgrund nicht feststellbar ist. Weiter hält das Bundesgericht fest, dass aus einer fehlenden oder pauschalen Angabe über die Weiterverwendung des Grundstücks nach dem Abbruch nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden darf, der Abbruch sei bloss vorgeschoben.

Vor diesem Hintergrund genügt es nach dem Bundesgericht, wenn «die Vermieterschaft eine plausible Absicht bzw. eine realisierbare Skizze über die Weiterverwendung des Grundstücks angibt, ohne dass sie bereits ein ausgereiftes Projekt vorlegen müsste.  Gänzlich entfallen dürfen nähere Angaben über die künftige Nutzung, wenn sich das Mietgebäude in einem derart schlechten Zustand befindet, dass der Abbruchbedarf auf der Hand liegt, weshalb der Vermieterschaft ohne Weiteres ein schützenswertes Interesse an der Kündigung zukommt.»

 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

·              Eine Abbruchkündigung ist gültig und zulässig sowie nur in wenigen Fällen treuwidrig und damit missbräuchlich

·              Eine Abbruchkündigung kann auch in rechtlicher Hinsicht von einer Sanierungs- oder Umbaukündigung unterschieden werden, wobei die Erfordernisse an die Vermieterschaft für die gerichtliche Beurteilung der Gültigkeit einer Abbruchkündigung weniger umfassend sind.  Denn die Mieterschaft kann bei einem Abbruch keinesfalls im Mietobjekt verbleiben, sodass auch die Überprüfung eines allfälligen Verbleibs der Mieterschaft während der Bauarbeiten entfällt.

·              Demgemäss muss für die Gültigkeit einer Abbruchkündigung insbesondere kein im Kündigungszeitpunkt bereits ausgereiftes Bauprojekt vorliegen und der Vermieter muss auch kein auf den Zeitpunkt der Kündigung ausgearbeitetes und zeitnahes Neubauprojekt belegen.

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Dr. Boris Grell (LL.M.) ist selbständiger Rechtsanwalt in Zürich sowie Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht (www.grell-law.ch).


[1] Dazu vgl. BGer 4A_576/2024 vom 29.04.2025, der heruntergeladen werden kann auf der Homepage des Bundesgerichts (www.bger.ch).  Der Entscheid ist zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen.

[2] Keine Ausführungen werden nachstehend gemacht zur prozessrechtlichen Frage, ob der – nach der Kündigung erfolgte – Verkauf an den Bauherrn des im Kündigungsschreiben erwähnten Grossprojekts einen rechtlichen Einfluss auf die Aktivlegitimation und die Parteistellung des hier klagenden (ehemaligen) Vermieters hat.

[3] Dazu vgl. Erw. 3.5.1 mit Verweis auf BGE 135 III 112 Erw. 4.2, BGE 140 III 496 Erw. 4.1 und BGer 4A_473/2024 E. 4.1.

[4] BGE 140 III 496 Erw. 4.1 und 4.2.2, BGE 142 III 91 Erw. 3.2.1 und BGE 148 III 215 Erw. 3.2.2.

Der vorliegende Fachartikel wurde in leicht angepasster Form publiziert in der SVIT Immobilia in der August-Ausgabe 2025

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